Kirchentag 2023 in Nürnberg
„Die Zeit ist Jetzt“
Als ich in die aufgeregten Gesichter schaue und mich an meine eigenen verschlafenen Augen erinnere, die mich noch vor wenigen Minuten aus dem Badezimmerspiegel anblinzelten, bin ich froh, dass eine mehrstündige Zugfahrt vor mir – und ein geräuschunterdrückender Kopfhörer in meinem Rucksack liegt. Denn Kirchentag bedeutet alle Jahre aufs Neue fünf anstrengende, aber unglaublich schöne Tage. All das wird mir schlagartig wieder klar, als ich 20 Minuten später in ein aufgeregtes Gespräch über unsere Erfahrungen bei vergangenen Kirchentagen und unsere Pläne für Nürnberg vertieft bin. Das geplante Nickerchen ist an diesem Punkt schon vergessen und spätestens als mir der gestresste Bahnmitarbeiter einen überteuerten aber immerhin heißen Kaffee reicht, fühle ich mich genauso wach und aufgeregt, wie die Jugendlichen, die gerade erwartungsvoll ihrem ersten evangelischen Kirchentag in der fränkischen Großstadt entgegenfiebern. Die weitere Zugfahrt vergeht schneller, als erwartet und nach kurzer Zeit bemerken wir, dass viele der Menschen, die mit uns in Koblenz eingestiegen sind, das gleiche Ziel haben wie wir.
Die Stimmung im Zug ist ausgelassen und wir sehen die ersten türkis-grünen Schals, die wir uns selbstverständlich alle kaufen werden, sobald wir einen Verkäufer in Nürnberg finden können.
Als wir am Hauptbahnhof ankommen, strömen bereits Massen von Menschen aus den Zügen, in die U-Bahnen, Busse oder einfach in die Straßen der Nürnberger Innenstadt. Wie ich es bereits in Dortmund vor vier Jahren erlebt habe, herrscht Ausnahmezustand. Einige Helfer, die etwas erschöpft, aber nicht weniger aufgeregt wirken, zeigen den Neuankömmlingen den Weg. Wir steigen direkt in die U-Bahn und sind schon kurz darauf an unserer Unterkunft. Einem großen alten Gebäude, einem städtischen Gymnasium am Rande des Stadtzentrums. Mit uns treffen auch andere Jugendgruppen ein, die wie wir die nächsten Nächte im Gemeinschaftsquartier verbringen werden.
Als wir unsere Klassenzimmer bezogen und uns ein wenig gestärkt haben, müssen wir auch schon weiter. Der Eröffnungsgottesdienst und anschließende „Abend der Begegnung“ beginnt zwar erst in zwei Stunden, aber aus Erfahrung wissen wir, dass man besser zu früh, als zu spät ist, wenn man mit einer großen Gruppe, ein schattiges Plätzchen erwischen möchte. Nach dem Gottesdienst sehen wir uns zusammen mit den unzähligen anderen Gästen zum ersten Mal, die in Ruhe unsere Gastgeberstadt an. Mittlerweile haben auch wir uns mit den diesjährigen Schals ausgestattet und neue, kreative Wege gefunden, diese zu tragen.
Den ersten Abend verbringen wir noch alle zusammen, die nächsten drei Tage werden wir in kleinen Gruppen unser eigenes Programm verfolgen. Dazu bietet der Kirchentag genügend Möglichkeiten. Von Podien und Workshops zu kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Themen, über Konzerte und Gottesdienste bis hin zu einfachen Entspannungsorten und den Ständen, der Organisationen, Gemeinden und Gruppen, die sich auf dem Kirchentag vorstellen. Wer von all dem eine Pause braucht, findet auch Möglichkeiten mal ein paar Stunden abseits vom Kirchentag Nürnberg zu erkunden. Manche von uns interessieren sich fürs Freibad oder Kino, andere fahren auch einfach mal ein paar Stunden mit der U-Bahn. Das Zentrum Jugend, dass um eine Parkanlage in der Vorstadt aufgebaut ist, hat außerdem viele Mitmachangebote und günstiges Essen für alle Besucher. So erleben wir alle unseren ganz eigenen Kirchentag, jeder nach eigenem Geschmack und im eigenen Tempo.
Wenn wir uns abends in der Unterkunft treffen, tauschen wir die Highlights des Tages aus, was mich das ein oder andere dazu gebracht hat, meine ursprünglichen Pläne für den nächsten Tag zu ändern.
Als wir sonntags wieder im Zug nach Koblenz sitzen, sehe ich die Müdigkeit, die ich am Morgen der Abreise gespürt habe, schließlich auch in den Gesichtern der anderen. Trotzdem schlafen die wenigsten, denn der Kirchentag wirkt noch einige Zeit nach und als ich wieder in meiner Wohnung stehe und die Reisetasche auf den Boden fallen lasse, bin ich zwar froh, die Luftmatratze wieder sicher zu verstauen aber bin auch ein wenig traurig, dass es erneut zwei Jahre dauern wird, bis ich wieder einen Kirchentag erleben darf.
Wir sehen uns 2025 in Hannover vom 30. April bis zum 04. Mai 😉




